CD orthodoxer-byzantinischer Musik in deutscher Sprache

Wer schon einmal die Liturgie in einer orthodoxen Kirche besucht hat, kennt die eindrucksvolle Atmosphäre, das Umfangen-sein von fremdartig-meditativen acapella Gesängen und die symbolträchtigen liturgischen Handlungen der Priester. Es ist ein fremdartiger, aber doch wohliger, inniger Eindruck für einen Christen aus der westlichen Welt, der auf den alten byzantinischen Ritus trifft. Leider gibt es bisher wenige Berührungspunkte zwischen beiden christlichen Welten. Das soll sich nun ändern. Zwischen den Osterfesten der West- und der Ostkirche erscheint die erste CD byzantinisch-orthodoxer Gesänge in deutscher Sprache – ein ökumenisches Projekt aus Rumänien.

Den meisten Christen in Deutschland, egal ob evangelisch oder katholisch, ist die Orthodoxe Kirche sehr fremd. Nicht wenige verbinden den Begriff „orthodox“ mit fundamentalistisch, starr, veraltet – etwas also, dass nicht mehr zeitgemäß ist und das es zu überwinden gilt. Erfahrungen mit der Orthodoxie als einer christlichen Konfession haben nur wenige und einigen ist es nicht einmal bewusst, dass die Orthodoxe Kirche als eigenständige christliche Konfession überhaupt existiert und auch mit unserer westlichen christlichen Identität und Geschichte eng verwoben ist. Dabei blicken wir auf über 600 Jahre gemeinsame Geschichte zurück. Seit der Konstantinischen Wende im 4. Jh. nach Christus bis zum großen Schisma im Jahr 1054 gab es, trotz gelegentlicher Spannungen, eine gemeinsame christliche Kirche in Europa. Erst ab diesem Datum, spätestens jedoch seit der Eroberung Konstantinopels durch lateinische Kreuzfahrer im Jahr 1204, sprechen wir überhaupt von West- und Ostkirche als klar getrennten konfessionellen Einheiten, die sich vor allem im Westen im Laufe der Jahrhunderte und besonders im Zuge der Reformation noch in weitere Konfessionen aufspaltete. Dennoch beziehen wir uns in Deutschland, wenn wir von Ökumene sprechen, fast ausschließlich auf die verschiedenen Konfessionen der Westkirche, zumeist der evangelischen (lutherisch und reformiert) und der römisch-katholischen Kirche. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich der Blick, sowohl seitens der Kirche in Rom, als auch auch der Protestanten stärker gen Osten gewandt. Die Bemühungen um gute gemeinsame ökumenische Beziehungen zwischen den drei großen christlichen Konfessionen in Europa haben stark zugenommen und viele Vertreter der evangelischen, wie auch der katholischen Kirche, schauen in diesem Jahr gespannt auf das erste Pan-orthodoxe Konzil seit über 1000 Jahren in Kreta.

Zwischen die großen medienwirksamen Auftritte der kirchlicher Würdenträger in Ost und West im gemeinsamen Bemühen um einen ökumenischen Dialog mischt sich aber auch eine kleine, leisere Stimme aus einem traditionell mehrheitlich orthodox geprägten Land – Rumänien. In Hermannstadt (rum. Sibiu), im nordwestlichen Landesteil Siebenbürgen (oder wie es Fans von Bram Stoker besser bekannt sein sollte: Transsilvanien), ist das Institut für Ökumenische Forschung beheimatet. Seit vielen Jahren bemüht es sich schon nach Kräften um den Dialog zwischen evangelischer und orthodoxer Kirche.

Nicht umsonst ist es diese Stadt, welche 2007 zur europäischen Kulturhauptstadt gewählt wurde, die eine besondere Rolle in der Ökumene spielt. Über Jahrhunderte hinweg war Hermannstadt eine rein deutsch geprägte Stadt, nachdem vor über 800 Jahren Siedler vor allem aus den mittelrheinischen und moselfränkischen Gebieten diese aufgebaut hatten. Selbstverständlich brachten die Siedler auch ihren katholischen Glauben mit und so siedelten sich in der Umgebung einige katholische Klöster an. Während in Deutschland die Reformation Luthers ihren Lauf nahm, entschieden sich die als „Siebenbürger Sachsen“ bezeichneten Siedler, sich dieser anzuschließen. So entstand im 16. Jahrhundert die evangelische Kirche nach Augsburger Bekenntnis in Rumänien, deren Bischofssitz heute ebenfalls in Hermannstadt liegt. Unter der österreichisch-ungarischen Herrschaft wurde aber auch die Stellung der katholischen und der ungarisch-reformierten Kirche in Siebenbürgen gestärkt und ab dem 18. Jahrhundert kam mit den rumänischen Siedlern die orthodoxe Kirche in die Stadt. So entstand im Laufe der wechselvollen Geschichte Siebenbürgens eine einzigartige Multikonfessionalität in der Region und in der Stadt Hermannstadt.

Ebendiese Multikonfessionalität bietet heute einen fruchtbaren Nährboden für ökumenische Initiativen. So ist es nicht besonders verwunderlich, dass sich diese kleine Stadt zu einem wichtigen internationalen Zentrum ökumenischer Forschung gemausert hat. Ein großer Durchbruch in der Arbeit des Ökumene-Instituts Hermannstadt ist die Einführung des neuen Ökumene-Semesters in deutscher Sprache, das hier seit vergangenem Jahr alljährlich angeboten wird und zum Ziel hat, deutsche Theologiestudierende, aber auch bereits studierte Pfarrer in der ökumenischen Forschung weiterzubilden und damit den evangelisch-orthodoxen Dialog zu fördern. Ein erster Durchgang des Semesters wurde bereits im vergangenen Jahr 2015 erfolgreich absolviert. Sieben evangelische Studierende aus Deutschland und der Schweiz, sowie eine Teilnehmerin aus Hermannstadt konnten sich vier Monate lang intensiv mit der orthodoxen Theologie und Spiritualität auseinandersetzen und lernten auch etwas über die spezifische Situation und die interkonfessionellen Herausforderungen in Siebenbürgen. Das Studienangebot, das mehrheitlich von orthodoxen Professoren realisiert wurde, fand sehr großen Anklang bei den Studierenden.

Neben zahlreichen Exkursionen, in denen die Teilnehmer mit den verschiedenen Glaubensrichtungen in Siebenbürgen in Kontakt treten konnten und die Spiritualität der orthodoxen Klöster kennen lernten, besuchten Sie auch einen Kurs zu byzantinischer Musik. Diese alte Form des Kirchengesangs in der Ostkirche  hat seinen Ursprung, wie der Name schon suggeriert, in Byzanz und wurde in sogenannten „Neumen“ verschriftlicht – ein System, das sich stark vom westeuropäischen Notensystem unterscheidet. Vor allem in den orthodoxen Kirchen Südosteuropas wird diese Form des Gesanges verwendet, im Unterschied zu der russisch-orthodoxen Kirche. Deren Musik ist wesentlich stärker westlich beeinflusst und ähnelt eher der Gregorianik. Gemeinsam ist beiden Formen jedoch, dass sie vollständig auf Instrumentenbegleitung verzichten. Das hat sowohl theologische, als auch praktische Gründe. Ganz auf jegliche Form der Begleitung verzichtet die östliche Kirchenmusik aber dennoch nicht. Statt von Instrumenten, wird die Melodiestimme von Sängern des Grundtons (griech. Ison) begleitet. Es ist eine sehr einfache Melodiebegleitung, durch die aber dennoch ein erstaunlicher Klangeffekt erreicht wird. Dadurch erhält die byzantinische Musik ihren getragenen, meditativen Charakter.

Diese Form des Gesangs also, die sich so stark von der westlichen Musik unterscheidet, erlernten auch die Teilnehmer des Ökumene-Semesters 2015. Am Ende dieser kleinen Musikausbildung stand die Aufnahme einer CD mit byzantinischer Musik, in deutscher Übertragung. Insbesondere dem Dia.Logos-Verein, der eng mit dem Institut für Ökumenische Forschung Hermannstadt zusammenarbeitet, ist dieses Projekt ein wichtiges Anliegen. Bisher erklingen die Gesänge der orthodoxen Auslandsgemeinden in Deutschland zumeist in der Sprache des jeweiligen Ursprungslandes. Das möchte der Verein ändern, um auch den deutschsprachigen Gemeindegliedern den Zugang zur Kirchenmusik zu erleichtern. Ein weiteres Anliegen ist es aber auch, anderen musikalisch oder ostkirchlich interessierten Menschen diese Form des Gesangs näher zu bringen. Genau dieses Ziel soll nun mit der Veröffentlichung der ersten CD byzantinisch-orthodoxer Musik auf deutsch erreicht werden. In den Studios vonRadio Trinitas in Hermannstadt trafen sich im Juli des vergangenen Jahres die evangelischen Studierenden mit orthodoxen Kantoren und ihrem Dozenten für byzantinische Musik, Diakon Alexandru Ioniță, und nahmen die erlernten Gesänge auf. Diese repräsentative Kollektion ostkirchlicher Klänge soll nun zwischen den beiden Osterfesten der West- und der Ostkirche erscheinen.

Tillmann Reichardt

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